Analoge Filmformate

Vom APS-C bis 8×10 Zoll analoge Filmformate im Überblick


In der analogen Fotografie ist das Filmformat weit mehr als eine technische Zahl.
Es beeinflusst Bildwirkung, Handhabung, Kosten – und nicht zuletzt den kreativen Prozess.

Ob handliche Kleinbildkamera für die schnelle Street-Fotografie, das detailverliebte Mittelformat für feinste Tonwerte oder die majestätische Großformatkamera für kompromisslose Qualität – jedes Format hat seinen eigenen Charme, seine Eigenheiten und auch seine Stolperfallen.

Dieser Überblick führt dich durch die gängigsten Formate von der späten Analog-Ära bis zu den Klassikern der Fotogeschichte. Mit Historie, technischen Daten, Vor- und Nachteilen, typischen Einsatzgebieten und den wichtigen Äquivalenzen für Brennweite und Blendenwirkung.


1. APS (Advanced Photo System) das letzte große Kleinformat Experiment

Negativgröße: ca. 16,7 × 25,1 mm (APS-C); APS-H: 16,7 × 30,2 mm

Einführung: 1996 von einem Konsortium (Kodak, Fuji, Canon, Nikon, Minolta)

Technische Besonderheiten: Drei Bildformate (H = High Definition, C = Classic, P = Panorama), magnetische Datenspur für Zusatzinfos, automatische Filmladung und Rückspulfunktion.

Vorteile:

Kompakte Kameras mit Automatikfunktionen

Verschiedene Seitenverhältnisse ohne Filmwechsel

Benutzerfreundlich (kein manuelles Einfädeln) 

Nachteile:

Heute kaum noch Filme verfügbar

Bildqualität unterhalb von 35 mm

Ersatzteile und Reparatur schwierig


Praxis: Heute vor allem für Sammler oder Bastler interessant.

Historisches Schicksal: Vom Siegeszug der Digitalfotografie binnen weniger Jahre verdrängt, Produktion 2011 eingestellt.

Brennweitenwirkung: Crop-Faktor ≈ 1,44 → 30 mm entspricht ca. 43 mm im Kleinbild. f/2,8 wirkt wie f/4,0 (Schärfentiefe).


2. 35 mm (Kleinbild) der Klassiker

Negativgröße: 24 × 36 mm

Einführung: Ab 1925 durch Leica (Oskar Barnack) revolutioniert, 1934 durch Kodaks Retina-Kameras massentauglich.

Vorteile:

Riesige Auswahl an Kameras, Objektiven und Filmen

Gutes Verhältnis aus Bildqualität und Mobilität

Weltweiter Standard, Ersatzteile leicht verfügbar

Nachteile:

Bei sehr großen Prints Korn sichtbar

Weniger Tonwerttiefe als Mittelformat

Praxis: Universell einsetzbar  Street, Reportage, Reise, Porträt.

Brennweitenwirkung: Crop-Faktor = 1,0 → 50 mm ist Normalbrennweite, f/2,8 bleibt f/2,8 in Schärfentiefe.


3. 120er Rollfilm (Mittelformat) – die feine Mitte

Negativgrößen:

6×4,5 cm (56 × 41,5 mm, Crop-Faktor 0,62)

6×6 cm (56 × 56 mm, Crop-Faktor 0,55)

6×7 cm (56 × 70 mm, Crop-Faktor 0,49)

6×9 cm (56 × 84 mm, Crop-Faktor 0,42)

Einführung: 1901 von Kodak für die „Brownie No. 2“

Vorteile:

Größere Negative → feineres Korn, bessere Tonwertabstufung

Verschiedene Bildformate mit einer Rollfilm-Breite

Nachteile:

Weniger Bilder pro Rolle (8–16)

Größere, schwerere Kameras

Praxis: Porträt, Landschaft, Studio, Fine-Art

Brennweitenwirkung:

6×6: 80 mm ≈ KB-50 mm, f/2,8 wirkt wie f/1,5

6×7: 90 mm ≈ KB-50 mm, f/2,8 wirkt wie f/1,37


4. 4×5 Zoll – die Eintrittskarte ins Großformat

Negativgröße: ca. 102 × 127 mm

Einführung: Ende des 19. Jahrhunderts, als flexible Filmblätter Fotoplatten ablösten

Vorteile:

Extreme Detailtreue

Tilt/Shift-Bewegungen für Perspektivkontrolle

Kontaktkopien ohne Vergrößerung

Nachteile:

Langsamer Arbeitsablauf

Teure Einzelblattfilme

Sperrige Ausrüstung

Praxis: Architektur, Stillleben, Fine-Art, Landschaft

Brennweitenwirkung: Crop-Faktor 0,27 → 150 mm entspricht KB-50 mm, f/5,6 wirkt wie f/1,5.


5. 5×7 Zoll – der unterschätzte Kompromiss

Negativgröße: 127 × 178 mm

Einführung: 1890er Jahre als Zwischenformat

Vorteile:

Mehr Fläche als 4×5, aber tragbarer als 8×10

Ideal für detailreiche Kontaktkopien

Nachteile:

Filme und Zubehör selten

Wenige Laborgeräte für Vergrößerung

Praxis: Fine-Art, alternative Prozesse

Brennweitenwirkung: Crop-Faktor 0,20 → 210 mm entspricht KB-50 mm, f/8 wirkt wie f/1,5.


6. 8×10 Zoll – das Format für Puristen

Negativgröße: 203 × 254 mm

Einführung: Seit ca. 1880 als Standard in der Trockenplattenzeit

Vorteile:

Unübertroffene Auflösung und Tonwerte

Große Kontaktabzüge ohne Vergrößerung

Nachteile:

Sehr schwer, teuer und langsam

Hohe Film- und Entwicklungskosten

Praxis: Museumsqualität, Fine-Art, historische Verfahren

Brennweitenwirkung: Crop-Faktor 0,13 → 300 mm entspricht KB-50 mm, f/11 wirkt wie f/1,4.


Vergleichstabelle – alle Formate auf einen Blick

Format

Negativgröße (mm)

Diagonale (mm)

Crop-Faktor

Normalbrennweite (mm)

f/2,8 wirkt wie KB bei

Typische Kameraarten

Aufnahmen pro Rolle/Pack

Hauptvorteil

APS

16,7×25,1

30,1

1,44

30

f/4,0

Kompaktkameras

15–40

Automatik, kompakt

35 mm

24×36

43,3

1,00

50

f/2,8

SLR, Messsucher

24–36

Flexibel, günstig

6×4,5

56×41,5

69,7

0,62

70

f/1,7

MF-SLR, TLR

15–16

Hohe Detailtreue

6×6

56×56

79,2

0,55

80

f/1,5

TLR, MF-Messsucher

12

Symmetrisches Format

6×7

56×70

89,0

0,49

90

f/1,37

MF-SLR

10

Idealformat für Abzüge

4×5 Zoll

102×127

162,6

0,27

150

f/0,76

Fachkameras

Einzelblatt

Max. Kontrolle

5×7 Zoll

127×178

217,6

0,20

210

f/0,56

Fachkameras

Einzelblatt

Größere Kontaktkopien

8×10 Zoll

203×254

325,3

0,13

300

f/0,36

Fachkameras

Einzelblatt

Monumentale Bildwirkung

Hinweis: Die Blendenwirkung bezieht sich nur auf die Schärfentiefe, nicht auf die Lichtmenge. f/2,8 belichtet auf allen Formaten gleich, erzeugt aber je nach Format unterschiedlich viel Hintergrundunschärfe.


Praxisbeispiele

Porträt: 8×10 Zoll bei f/8 hat die Hintergrundunschärfe wie Kleinbild bei etwa f/1,4 – aber mit mehr Details und cremigerem Bokeh.

Landschaft: APS bei f/8 liefert Schärfentiefe wie Kleinbild bei f/13 – ideal für „alles scharf“-Look.

Freistellung: 4×5 bei f/5,6 hat Freistellung wie Kleinbild bei f/1,4 – Fokus ist dann Millimeterarbeit.


f-Stop vs. T-Stop – der feine Unterschied

f-Stop: Geometrischer Wert:

f-Stop=EintrittspupilleBrennweite Ein 85 mm f/1,4 hat eine Pupille von rund 60 mm – egal wie viel Licht wirklich ankommt.

T-Stop: Misst die tatsächliche Lichtmenge nach Verlusten durch Glas und Beschichtungen.

Ein f/1,4 kann z. B. nur T/1,5 liefern, wenn 10 % Licht verloren gehen.

Bedeutung:

Foto: f-Stops genügen, weil Kameras automatisch korrigieren.

Film/Video: T-Stops wichtig für gleiche Belichtung bei Objektivwechsel.





 


Johannes Koch

Perleberger Straße 54 

10559 Berlin